Skip to main content
Wertschätzung

Mitarbeiterbefragung. Wertschätzungs-Vorwurf?

By 25. September 2022Juli 21st, 2023No Comments

Mitarbeiterbefragung. Wertschätzungs-Vorwurf?

„Ein zentrales, neurobiologisch begründetes Motiv für die Bereitschaft des Menschen zu arbeiten ist der Wunsch nach direkter oder indirekter Anerkennung“. Dass der deutsche Arzt und Autor Joachim Bauer Wertschätzung in der Arbeit so eine gewichtige Rolle zuschreibt, ist in dem Ausmaß nicht unumstritten (Arbeit 2015, S. 29). Die einen sehen in seiner Aussage ein wissenschaftliches Argument für die Verankerung von Wertschätzung in der Unternehmensstrategie. Andere schalten bei allem was mit „Neuro-“ beginnt inzwischen auf Durchzug und halten diesen Forschungsbereich für inflationär und überbewertet im Arbeitskontext. Aber egal, ob die Bedeutung von Wertschätzung auch aus der neurobiologischen Forschung zurecht Unterstützung bekommt oder nicht: in allen repräsentativen Mitarbeitenden-Umfragen wird Wertschätzung als zentraler Wert für gute Arbeit genannt.

Leider sind genau diese Umfragen oder besser gesagt deren Ergebnisse oft ein Schock für Geschäftsführung, HR-Abteilung oder Personalentwicklung. Denn aus diesen Ergebnissen lässt sich häufig heraus lesen, dass sich die Mitarbeitenden darüber beklagen, zu wenig Wertschätzung zu bekommen. Aus unseren Führungskräfte-Trainings weiß ich, dass die Reaktionen darauf ganz unterschiedlich sind. Einige Führungskräfte nehmen es sportlich und sehen so eine Rückmeldung als Ansporn, in das Miteinander und das Betriebsklima zu investieren. Viele fühlen sich aber in Ihrer Rolle und Kompetenz angegriffen und sind persönlich verärgert. Sie sehen es als Vorwurf gegenüber ihrem Führungsstil. Aber was wäre dann eine angemessene Reaktion auf so ein Ergebnis? Statt einem Patentrezept möchte ich 2 Faktoren nennen.

Zum einen hilft das Bewusstsein, dass Wertschätzung nicht von einer Person eingeführt werden kann. Es liegt in der DNA der meisten Führungskräfte, sich für alles verantwortlich zu fühlen und eine Aktion zu setzen. Ja, Wertschätzung ist ein Führungsthema. Führungskräfte haben aber nicht die exklusive Lizenz zur Wertschätzung. Für eine Veränderung des Betriebsklimas braucht es viele! Verantwortung für die Ergebnisse einer Befragung zu übernehmen, heißt nicht, ab jetzt alle „durchzuloben“.

Zum anderen hilft das Wissen, dass Wertschätzung aus einer Vielzahl an einzelnen, wertschätzenden Gesten besteht. Es sind zumeist kleine Verhaltensweisen am Arbeitsplatz, die den sogenannten Wertschätzungs-Kreislauf (nach Hinding, Akca, Spanowski & Kastner, 2012) im Team initiieren. Damit Menschen ihren Arbeitsplatz als wertschätzend erleben, braucht es keine großen Gesten, sondern alltägliche wertschätzende Erlebnisse.

Was tut man am besten nach einer negativ ausgefallenen Befragung? Im ersten Schritt sollte man deutlich machen, dass das Unternehmen die Ergebnisse ernst nimmt. Im zweiten Schritt sollte die Botschaft sein: Es ist unser gemeinsames Problem und wir wollen es gemeinsam lösen.

Und dann sollte es  den Menschen leicht gemacht werden, Wertschätzung im Alltag zu zeigen. Das gelingt konkret immer dann, wenn jemand mit Wertschätzung anfängt, statt darauf zu warten, dass es der andere tut. Ich höre oft: „Ich würde ihn ja grüßen, wenn ER mich grüßen würde“. Aber was war zuerst da? Die Kränkung des Kollegen Maier oder die Missachtung des Kollegen Huber? Die Henne oder das Ei?

Einer muss anfangen! Der erste Schritt zu einem Danke oder einem anerkennenden Satz ist nicht immer leicht. Aber er ist Anstoß zum Wertschätzungs-Kreislauf. Wenn Führungskräfte Mitarbeitenden Möglichkeiten geben, sich wertschätzend zu verhalten und authentisch dazu einladen, dann ist viel geschafft. Denn mit vielen wertschätzenden Gesten aller Mitarbeitenden verändert sich das ganze Klima. Und dann waren die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung nicht negativ, sondern der Start zu einem positiven Wandel.

Herzliche Grüße,
Florian Simon

Florian Simon

Author Florian Simon

More posts by Florian Simon